Es gibt gleich zwei Gründe, warum bei Tempo 30 deutlich weniger Unfälle passieren und diese deutlich weniger drastische Folgen haben, als bei Tempo 50: Zum einen sind dies physikalische Gründe (kürzerer Anhalteweg, geringere Aufprallenergie) und zum anderen die Art und Weise, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet.
Wenn man mit dem Auto fährt und ein anderer Verkehrsteilnehmer überraschend auf die Straße kommt — beispielsweise ein spielendes Kind oder ein querendes Auto — kann es vorkommen, dass nur noch eine Vollbremsung möglich ist, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Mit ein bisschen physikalischem Sachverstand kann man ausrechnen, welche Strecke das Auto bis zum Stillstand zurücklegt, den sogenannten Anhalteweg.
Der Anhalteweg besteht aus zwei Teilen, dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Zwischen dem Moment, an dem der Autofahrer den anderen Verkehrsteilnehmer wahrnimmt und dem Moment, an dem das Auto zu bremsen beginnt, vergeht etwa eine Sekunde, die sogenannte Schrecksekunde. In dieser Sekunde fährt das Auto ungebremst weiter. Erst dann setzt der eigentliche Bremsvorgang ein. Aber auch während des Bremsvorgangs bewegt sich das Auto noch weiter.
Unterschied beim Anhalteweg: Oben Tempo 30, unten Tempo 50. Bei 30 km/h steht das Auto bereits nach 13 Metern; bei Tempo 50 hat nach 13 Metern das Bremsen noch nicht einmal begonnen. (Der Grafik liegt eine Reaktionszeit von 1s und eine Bremsverzögerung von -7,5m/s2 zugrunde.)
Für die Unfallgefahr und die Schwere eines solchen Unfalls spielen gleich drei Faktoren eine Rolle. In allen drei Fällen schneidet Tempo 30 besser ab:
Genauere Berechnungen und weitere Details hierzu kann man einem Artikel von Hans-Ulrich Ottensmeyer entnehmen, der bereits 1985 Bremsvorgänge genau durchgerechnet hat. [1]
Unser Gehirn hat sich im Laufe der Evolution auf Geschwindigkeiten unter 30 km/h eingestellt. Bei höheren Geschwindigkeiten kann es nicht mehr alle Informationen verarbeiten (es sind zu viele in zu kurzer Zeit) und blendet deswegen einige aus. Dies betrifft insbesondere Informationen im Nahbereich: Autofahrer fokusieren vorrangig auf die Stelle, an der sie sich in einer Sekunde befinden werden.
Deshalb passiert es immer mal wieder, dass Autofahrer bei Tempo 50 andere Verkehrsteilnehmer nicht bemerken, obwohl sie sie gesehen haben müssten. Und dementsprechend reagieren sie auch nicht, obwohl das angebracht wäre.
Das Umweltbundesamt hat einige Untersuchungen zur Sicherheitsproblematik im Vergleich von Tempo 50 und Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen zusammengetragen und schlussfolgert daraus: Tempo 30 hat positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Vorliegende Studien ergeben keine Anhaltspunkte für gegenteilige Annahmen.
[2]
Beispielsweise wurden drei Hauptverkehrsstraßen in Schwerin vor und nach der Einführung von Tempo 30 untersucht: Die Anzahl der Unfälle hatte sich durch diese Maßnahme halbiert, die Anzahl der Unfälle mit Verletzten ist sogar auf ein Drittel gesunken.
[1] Einfluss der Geschwindigkeit auf das Unfallgeschehen im Straßenverkehr, Hans-Ulrich Ottensmeyer, September 1985
[2] Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, Umweltbundesamt, November 2016